Well-Being Therapy

Psychotherapie im allgemeinen (z.B. Verhaltenstherapie oder Psychoanalyse – um die beiden bekanntesten Vertreter zu nennen) zielen vorrangig darauf ab, negative psychische Zustände und Emotionen zu verbessern bzw. die Symptomatik und den Leidensdruck zu verringern.
Das ist ohne Frage ein wesentliches Ziel. Jedoch wird teilweise darauf vergessen, dass Gesundheit laut der WHO noch mehr beinhaltet:

Gesundheit ist ein Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen.

Was bedeutet das konkret? Ein Beispiel:
Herr L. fühlt sich niedergeschlagen. Er hat keine Motivation mehr, sich für seine Arbeit aufzuraffen, selbst das morgendliche Aufstehen bereitet ihm größte Mühe. Bis vor einigen Monaten war er am Wochenende häufig in den Bergen unterwegs oder traf sich mit Freunden. Außerdem hatte er sich gerne regelmäßig etwas Gutes gekocht. Doch jetzt hat er das Interesse an allen Dingen verloren, die früher einmal Spaß gemacht haben. Am Wochenende ist er nun froh, wenn er nicht aus dem Haus gehen muss. Allein der Gedanke an eine Wanderung macht ihn schon müde. Und für sich alleine etwas zu kochen, ist ihm die Mühe nicht mehr wert. Er hat sowieso kaum mehr Appetit in letzter Zeit.
Da sich Herr L. einfach nicht mehr glücklich fühlt, sich über kaum etwas mehr freuen kann und die meiste Zeit vor sich hin grübelt, ohne dabei auf Lösungen zu kommen, beschließt er etwas an seiner jetzigen Situation zu ändern und sucht sich dabei psychologische Unterstützung. Er geht in eine der klassischen Therapien (s.o.). In den Gesprächen erfährt er, dass er depressiv ist, dass sich das aber sehr gut behandeln lässt. Er entscheidet sich für eine Therapie und bearbeitet die Symptomatik, erfährt mehr über sich, seine Persönlichkeit, seine Muster, sein Unterbewusstsein und Zusammenhänge zwischen Psyche und Körper. Nach einigen Wochen fühlt er, dass er wieder an Stärke zurückgewinnt. Er schafft es wieder sich hin und wieder etwas zu kochen, ist nicht mehr gar so müde und grübelt deutlich weniger und nach einigen Monaten sind die depressiven Symptome so gut wie verschwunden.

Das ist toll! Und ein rießen Erfolg.
Doch leider enden viele Therapien an dieser Stelle. Das Resultat ist, dass sich Herr L. nicht mehr depressiv fühlt, dafür aber leer. Jede psychische Erkrankung nimmt viel Raum im Leben ein. Dieser ist nun nicht mehr gefüllt. Und hier setzt die Well-being Therapy (WBT = „Wohlbefindens-Therapie“) an.

Die Well-being Therapy (nach Fava) ist eine neue Therapieform, welche die Verhaltenstherapie um Elemente aus der Positiven Psychologie ergänzt. Fava und Linden (2011) haben den Unterschied in einer schönen Metapher verpackt:

So wie die Gartenpflege nicht nur in der Beseitigung von Unkraut sondern vor allem im Anpflanzen von Blumen besteht, so stellt die Förderung des Wohlbefindens neben der Beseitigung von Krankheitssymptomen ein eigenständiges Therapieziel dar (S. 477).

Mithilfe positiv psychologischer Interventionen kann der leere innerpsychische Raum, welcher vormals mit Traurigkeit, Selbstzweifeln, Ängsten etc. gefüllt war, wieder mit positiven Dingen wie Freude, Hoffnung, Wertschätzung, Stolz, Kontrollerleben, Autonomie etc. je nach individuellem Thema gefüllt werden.

Die Forschung hat gezeigt, dass die kognitive Verhaltenstherapie in Verbindung mit einer Behandlung nach den Prinzipien der WBT zu einer deutlichen Verbesserung des Wohlbefindens geführt hat, als verglichen mit einer alleinigen Behandlung mit verhaltenstherapeutischen Methoden oder mit Psychopharmaka (z.B. Fava & Tomba, 2009; Ruini & Fava, 2009). Diese Kombination erwies sich ganz besonders hilfreich bei Personen mit rezidivierenden (wiederkehrenden) oder langanhaltenden Depressionen, bei Personen mit Angststörungen und Personen mit chronischen körperlichen Krankheiten.

Neben der Verbesserung der allgemeinen Symptomatik, wurden außerdem die verschiedenen Aspekte des Werteglücks durch die kombinierte Behandlung deutlich verbessert. Die Personen…

  • erkannten wie sie ihre Lebenssituation gestalten können, damit die persönlichen Bedürfnisse erfüllt werden,
  • entdeckten Möglichkeiten, um neue Interessen oder Kompetenzen entwickeln zu können,
  • lernten sich selbst und ihre Werte besser kennen und entwickelten darauf aufbauende Ziele für ihr Leben,
  • entwickelten sich selbst gegenüber eine positive und wertschätzende Einstellung,
  • lernten sich äußerem Druck zu widersetzen, selbstständig und unabhängig zu werden und
  • entwickelten ein tieferes Verständnis für zwischenmenschliche Beziehungen, was in der Folge zu glücklichen und ausgeglichenen Beziehungen führte (vgl. Fava & Linden, 2011; Ruini, 2014).

Die WBT ist eine Kurztherapie, die häufig im Rahmen einer Verhaltenstherapie Anwendung findet, jedoch auch in sich geschlossen durchführbar ist. Sie setzt an den oben genannten Aspekten des psychologischen Wohlbefindens (= Werteglück) durch klinisch psychologische sowie positiv psychologische Interventionen an, indem sie die folgenden Schritte durchläuft (Fava & Linden, 2011):

  1. Erkennen von positiven Momenten in den verschiedensten Situationen im Alltag.  Mittels strukturierter Selbstbeobachtung und z.B. mit Hilfe der Übung „Die Drei Schätze“ erfassen die Klienten ihr aktuelles Wohlbefinden und schätzen es anschließend auf einer Skala ein. Die Erkenntnisse, werden dann im psychologischen Gespräch individuell thematisiert und um Informationen zu den Zusammenhängen zwischen Gehirn, Immunsystem, Aufmerksamkeit und Emotionen ergänzt. Bereits die Veränderung des täglichen Fokus auf positive Erlebnisse wirkt sich bei regelmäßiger Anwendung sehr positiv auf das Glücksgefühl aus (Emmons & McCullogh, 2003).
  2. Analyse der Rahmenbedingungen, unter welchen sich die Klienten glücklich fühlen, oder gefühlt haben. Hierbei wird unterschieden zwischen Faktoren, welche man selbst nicht in der Hand hat (z.B. das Wetter) und Faktoren, welche man durch sein Verhalten beeinflussen kann (z.B. wandern gehen).
    Im Anschluss an die differenzierte Analyse der bisherigen Glücksfaktoren, werden Gedanken, Emotionen und Handlungen identifiziert, welche Glücksgefühle in der Vergangenheit hervorgerufen haben oder es in der Gegenwart tun.
  3. Entwicklung konkreter Schritte, welche das Wohlbefinden erhöhen. Hier ist eine Schnittstelle mit der Verhaltenstherapie. Es werden ganz konkrete, attraktive, realistische und messbare Ziele erarbeitet. Diese werden in der Folge hinsichtlich der Erfahrungen bei der Umsetzung, möglicher Schwierigkeiten auf dem Weg dahin und in Hinblick auf Zwischenerfolge thematisiert. Persönliche Stärken und Werte können genutzt werden, um die Erreichung der Ziele zu erleichtern.
  4. Veränderung von Faktoren, die das Glück verringern. Hier sind insbesondere negative Gedankenmuster,  hohe Ansprüche oder Bewertungen des Klienten Thema. Ziel ist ein Verständnis für mögliche Teufelskreise zu entwickeln (z.B. Teufelskreis der Angst), um hiermit eine Basis für Veränderungen zu legen.
  5. Förderung individuell bedeutsamer Wohlbefindensaspekte. An dieser Stelle erfolgt eine detaillierte Analyse der verschiedenen Aspekte des psychologischen Wohlbefindens, wie sie derzeit im Klienten vorhanden sind und welche ihm/ihr besonders wichtig sind. Im Anschluss wird ein gemeinsames Therapieziel formuliert, welches die Verbesserung einiger (oder aller) Wohlbefindensaspekte zur Folge bzw. zum Ziel hat.

Je nachdem, wie tief manche Themen verankert sind (z.B. Selbstzweifel, negative Verhaltensmuster…) kann die Behandlung unterschiedlich lange dauern. Das hängt davon ab, wie sehr der Klient weiter in die Tiefe gehen möchte, welche Themen sich innerhalb der Sitzungen ergeben und welches Therapieziel im Vordergrund steht.

Ihre,

Psychologe Innsbruck
Psychologin in Innsbruck