Positive Psychotherapie

Martin Seligman, der Begründer der Positiven Psychologie prägte das folgende Bild: Man könne es sich so vorstellen, dass wenn man eine Depression (stellvertretend für andere psychische Erkrankungen) klassisch behandle, mit der Zeit die Symptome verschwinden würden. Das Resultat wäre eine innere Leere. Um eine langanhaltende Verbesserung des Wohlbefindens zu erzielen, sei es essentiell diesen leeren innerpsychischen Raum, welcher vormals mit Traurigkeit, Selbstzweifeln, Ängsten etc. gefüllt war, wieder mit positiven Dingen wie Freude, Hoffnung, Wertschätzung, Stolz, Kontrollerleben, Autonomie etc. je nach individuellem Thema zu füllen. Das ist die Grundlage für die Anwendung positiv psychologischer Interventionen bzw. der „Glücksrezepte“ im psychotherapeutischen Kontext.

Im Jahre 2006 publizierte das Trio Martin Seligman, Tayyab Rashid und Acacia Parks erstmals einen Artikel zum Thema „Positive Psychotherapy“. Diese stellt neben der Well-Being Therapy nach Fava einen weiteren wissenschaftlich fundierten Therapieansatz im Bereich der Positiven Psychologie dar. Der Wissenschaftler Tayyab Rashid stellt auf seiner Homepage und in weiteren Artikeln wertvolle Informationen zur Methode im Allgemeinen und dem Ablauf mit 14 exemplarischen Sitzungen (im Sinne eines knappen Therapiemanuals) zur Verfügung und ist die maßgebliche Person, die hinter diesem Ansatz steht. Das Konzept bezieht sich auf der einen Seite auf Martin Seligmans Modell von Flourishing (=Aufblühen), welche Aspekte des Wohlfühlglücks und des Werteglücks umfasst. Das Kernstück des Therapieansatzes stellen jedoch die Charakterstärken dar, welche auf Christopher Peterson zurückgehen.

Puzzle

Die Positive Psychotherapie nach Rashid enthält folgende Kernelemente:

  1. Wohlbefindens-Diagnostik:

Erörterung der aktuellen Problemsituation auf Basis fehlender oder unzureichend erfüllter Aspekte von Wohlbefinden (z.B. positive Gefühle, positive Beziehungen, Sinn). Zentraler Bestandteil der Therapie ist eine fortlaufende Einschätzung des Therapiefortschritts. Hierfür ist ein gegenseitiges Feedback von Bedeutung, um mögliche Veränderungen im Therapieplan vornehmen zu können.

  1. Positive Gefühle und Genießen:

Positive Gefühle sind ein wesentlicher Bestandteil des Wohlbefindens. Wie auch bei der Wohlbefindens-Therapie nach Fava stellt der Positive Tagesrückblick auch hier ein wertvolles Tool zur Förderung der positiven Gefühle dar und ist steter Begleiter der weiteren Sitzungen.

Im weiteren Verlauf wird die Bedeutsamkeit des regelmäßigen Genießens thematisiert und in den Alltag implementiert (z.B. durch Planung positiver Aktivitäten).

  1. Charakterstärken:

Das ist das Kernstück der Therapie. Um sich dem Thema anzunähern, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Tayyab Rashid empfiehlt die Übung „Positive Vorstellung“: Der Klient schreibt etwa eine Seite lang über ein konkretes Erlebnis, in welchem er oder sie über sich selbst hinausgewachsen ist („at his/her best“). Darüber hinaus füllt der Klient einen Stärken-Fragebogen aus und die Stärken werden im Gespräch thematisiert und in Hinsicht auf ihre Wirkung auf Engagement und Flow erläutert.

In weiteren Sitzungen werden dann folgende Stärken bzw. Tugenden thematisiert und gefördert:

  • Signaturstärken: Dabei gilt es zunächst diese herauszufinden und konkrete Handlungen bzw. Ziele zu planen, welche die Anwendung der zentralsten Stärken begünstigt. Außerdem können die Signaturstärken von Familienmitgliedern und Freunden identifiziert werden. Hierfür bietet sich die Visualisierung der Stärken in einem „Stärken-Stammbaum“ an. Sich den Stärken anderer Familienmitglieder bewusst zu werden, lässt oft das eigene Verhalten besser verstehen als auch die anderen Personen mehr wertschätzen.
  • Vergebungsbereitschaft: Diese Stärke hat besondere Bedeutung für die Bewältigung von Gefühlen wie Ärger oder Verbitterung. Eine mögliche Übung stellt das Schreiben eines Briefes dar, in welchem der Klient seinen Frieden hinsichtlich einer Person oder eines Ereignisses schließt.
  • Dankbarkeit: Diese Stärke entfaltet ihre Wirkung bei ihrem regelmäßigen Empfinden. Um sie zu fördern gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten. Beispielweise das Schreiben eines Dankbarkeitsbriefes an eine bestimmte Person.
  • Mäßigung: Der Unterschied zwischen einem ständigen Maximieren („es ist nie gut genug“) im Vergleich zu einer wohlwollenden Haltung in Hinsicht auf die Erfüllung eines Anspruches („es ist gut genug“) fällt unter diese Tugend.
  • Zuversicht und Optimismus: Wenn sich eine Türe schließt, dann öffnet sich eine andere. Sich das zu vergegenwärtigen und herauszufinden, wie sich deshalb möglichweise Resilienz bzw. (posttraumatisches) Wachstum entwickelt hat, ist Bestandteil dieses Exkurses. Hierdurch wird im Übrigen auch das Erleben von Sinn gefördert.
  • Freundlichkeit: Die Bedeutung der Stärke Freundlichkeit für das eigene Wohlbefinden als auch für die Entwicklung positiver Beziehungen zu anderen ist hier Thema. Eine schöne Möglichkeit diese Stärke zu fördern ist die Übung „Zeit schenken“, in welcher der Klient einerseits jemanden seine Zeit bzw. Aufmerksamkeit schenkt und in diesem Zuge auch noch seine Signaturstärken einsetzt.
  • Positive Beziehungen (Bindungsfähigkeit): Um diese Stärke zu fördern, bietet sich die Technik der positiven Kommunikation („aktiv konstruktives Antworten“) an. Hierbei geht es darum die Fertigkeit des aktiven Zuhörens zu lernen und in Gesprächen mit geschätzten anderen Personen bewusst einzubringen. Hierdurch wird sowohl die Beziehungsqualität gefördert, als auch das gegenseitige Wohlbefinden.
  1. Stressbewältigung:

Stopschild

Sowohl positive als auch negative Erinnerungen werden in Hinsicht auf ihren Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung von Stress thematisiert. Mittels verhaltenstherapeutischer Methoden werden negative Erlebnisse neu bewertetet und somit deren Verarbeitung angeregt. Außerdem wird die Bedeutsamkeit positiver Erinnerungen für das Wohlbefinden betont. Die Förderung der jeweiligen Charakterstärken trägt auf unterschiedliche Weise ebenfalls zur Stressbewältigung bei.

Ein erfülltes bzw. gelingendes Leben (im Sinne der positiven Psychologie) stellt immer eine Balance bzw. Integration aus den verschiedenen Aspekten von Wohlbefinden dar. Es braucht das Erleben positiver Gefühle, genauso wie die Erfüllung der verschiedenen Aspekte des Werteglücks und der Charakterstärken. Letztere stellen äußerst wirksame Stellschrauben für die Beeinflussung verschiedener Wohlbefindensfacetten dar, weshalb sie in jede Therapie integriert werden sollten, welche Wohlbefinden als oberstes Therapieziel definiert. Ähnlich wie auch in der Well-Being Therapy es auch in diesem Therapiansatz um eine Förderung der individuell bedeutsamen Aspekte von Wohlbefinden. Menschen sind individuell, sodass es immer einer „Maßanfertigung“ bedarf.

Ihre,

Psychologe Innsbruck
Psychologin in Innsbruck