Ein regnerischer Tag. Es ist noch dunkel früh morgens als der Wecker klingelt. Das Aufstehen kostet bereits alle Kraft, die man aufbringen kann. Es ist schon zu spät, um noch in Ruhe zu frühstücken und dann fährt einem auch noch vor der Nase der Bus weg. Der Tag ist gelaufen.
Aber ist er das wirklich? Dieser und ähnlichen Fragen gingen Wissenschaftler mit der Absicht nach herauszufinden was uns (un-)glücklich macht. Das obige Szenario ist keine Seltenheit. Wenn wir „mit dem falschen Fuß zuerst aufgestanden sind“ dann ist für viele von uns der restliche Tagesverlauf schon vorprogrammiert. Das ganze funktioniert aber auch anders herum: Am Geburtstag oder Hochzeitstag dürfen keine negativen Emotionen auftauchen. Dort haben wir uns gut zu fühlen – und zwar den ganzen Tag!
Wenn es nur so einfach wäre, dass wir uns einfach einen guten (oder schlechten) Tag bestellen könnten, dann bräuchte es eine Wissenschaft wie die der Positiven oder Klinischen Psychologie nicht. Denn dann läge die Lösung auf dem Tisch: Wir müssten einfach das Positive maximieren, uns von den 365 Tagen z.B. mindestens 329 positive Tage als Ziel setzen.
Anfänglich (um die 2000er Wende herum) machte die Positive Psychologie auf den Ein oder Anderen durchaus diesen Eindruck. Es handle sich um eine „Happiology“ hieß es. Eine Positive Psychologie müsse auch eine Negative Psychologie implizieren. Diesen Vorwurf weisen Vertreter der Positiven Psychologie ganz klar von sich, mit der Begründung, dass diese als Ergänzung zur Klinischen Psychologie zu sehen sei, einen anderen (positiven) Fokus setze und damit die Psychologie als wissenschaftliches Fachgebiet wieder ins Gleichgewicht bringe.
Und genau das ist der Punkt: Es geht nicht darum, dass glückliche Menschen sich ausschließlich gut fühlen, keinerlei Sorgen oder Schwierigkeiten haben, oder sich gar an 329 Tagen im Jahr zu 100% wohlfühlen.
Die Wissenschaftler Robert Biswas-Diener und Todd B. Kashdan führten in ihrem Buch „The Upside of Your Dark Side“ (2015) das Konzept der Ganzheit ein. Menschen, die sich ganz fühlen, sind sozial, emotional und geistig flexibel. Sie reagieren in verschiedenen Situation spontan so, dass es für sie hilfreich und sinnvoll ist. Das bedeutet nicht automatisch immer zu jedem zu 100% nett und freundlich sein zu müssen, für jeden und immer ein offenes Ohr zu haben oder nie einen Wutausbruch zu haben. Menschen die sich ganz fühlen, haben ein gutes Gespür dafür, was ihnen gut tut, wo ihre Grenzen sind, mit wem sie ihre Zeit verbringen wollen und wofür sie ihre Energie aufwenden.
Die Autoren betonen, dass es bei unglücklichen Menschen (mit und ohne psychischer Erkrankung) nicht darum gehe die sogenannten „negativen Emotionen“ zu eliminieren. Vielmehr ginge es darum den negativen Emotionen das Negative zu nehmen. Alleine die Wortwahl lässt viele von uns dazu verleiten, negative Emotionen als negativ, lästig und schädlich zu betrachten. Doch das ist ein Trugschluss! Jede Emotion hat ihren Nutzen und macht in gewissen Situationen Sinn. Angst schützt uns (z.B. vor Verletzungen aufgrund von Selbstüberschätzung), Wut hilft uns Grenzen aufzuzeigen (z.B. bei Missachtung der Privatsphäre), Trauer hilft uns zu bewältigen (z.B. einen Verlust zu verarbeiten).
Anstatt also unangenehme Gefühle zu vermeiden und sie als entweder positiv oder negativ zu betrachten, sollten wir uns vielmehr fragen: Ist dieses Gefühl in der jetzigen Situation förderlich oder hinderlich?
Sich diese Frage zu stellen hilft dabei sich ganz zu fühlen, sich mit seinen schönen und dunklen Seiten anzunehmen, so wie man ist. Das wiederum macht längerfristig und nachhaltig glücklich.
Vielleicht müssen wir die Definition von „glücklich sein“ überdenken. Glückliche Menschen erleben genauso Verluste, haben Ängste, verletzen und werden verletzt. Sie gehen nur anders mit diesen Gefühlszuständen um und spüren welches Gefühl Sie in der jeweiligen Situation am meisten unterstützt.
Gefühle können als eine Art „Helferlein“ betrachtet werden: Sie helfen uns dabei sich den Herausforderungen zu stellen, welche das Leben für uns bereithält. Sie sind wertvoll, jedes einzelne von ihnen.
Weg vom Schwarz-Weiß-Denken, hin zu den Graustufen. Wer kennt diesen Spruch nicht? Ich finde die Welt hat mehr als nur Graustufen. Sie ist voller Leben, bunt, voll mit schönen und weniger schönen Überraschungen. Und jedes Erlebnis hat eine eigene Farbe verdient. Es gibt nicht nur Regen- und Sonnentage. Es gibt auch „April-Tage“, an denen sich Regen, Schnee, Sonne, Wind und Hagel abwechseln. Die Sonne scheint nicht immer gleich warm. Mal strahlt sie vom Himmel, mal lässt sie das Eis schmelzen und ein anderes Mal scheint sie, während es regnet. Und genau an diesen Tagen, erscheint ein Regenbogen, der uns zeigt, wie schön vielfältig die Welt doch ist.
Herzlichst Ihre,